Saul Leiter – In my room

Eindrücke von der ‘Saul Leiter’-Ausstellung in der Helmut-Newton-Stiftung in Berlin.

Warum nutzt Saul Leiter, der für seinen sensiblen, gezielten Umgang mit Farbakzenten in seiner Straßenfotografie bekannt ist, ausgerechnet Schwarz-Weiß-Bilder für seine sehr intimen und persönlichen Aktfotos?

Die Antwort erschließt sich schnell: Man kann Schwarz-Weiß-Filme, im Gegensatz zu Farbnegativen, sehr einfach im eigenen Labor entwickeln und Abzüge anfertigen. Im gesellschaftlichen Umfeld der 1940er, in denen die ersten Aktbilder von Saul Leiter entstanden, war es alles andere als selbstverständlich, einen Film mit Bildern von nackten Frauen in einem Laden zum Entwickeln abzugeben.

Erst die eigenhändige Entwicklung der Filme gibt Saul Leiter die Ausdrucksfreiheit, um die sehr persönlichen Portraits von Freundinnen, Bekannten und Geliebten gelingen zu lassen. All diese Frauen sind zwar meist nackt oder nur zum Teil bekleidet, stets aber respektvoll und nahbar in ihrer Eigenständigkeit gezeigt. Die Nacktheit zeichnet die Intimität des Moments nach, ohne diesen auf ein Klischee oder Abziehbild zu reduzieren.

Saul Leiter - In my Room - Berlin - banausenKultur - Kultur Münster Münsterland Westfalen NRW - Andreas Völker

‘NUDES – Saul Leiter. David Lynch. Helmut Newton.’

Die Ausstellung ‘NUDES’ der Helmut-Newton-Stiftung läuft seit dem 30. November 2018 im Berliner Museum für Fotografie.

Es werden neben den Ausstellungsteilen von Newton und Lynch über 200 meist kleinformatige Fotos von Saul Leiter aus den 1940er- bis 1970er-Jahren gezeigt, die nahezu alle in der Atelierwohnung von Saul Leiter in New York entstanden sind. Die Besonderheit dieser sehr privaten Räumlichkeit spiegelt sich auch im Titel des Bildbands „In My Room“ wider, der in seiner Vollständigkeit gut als begleitender Ausstellungskatalog funktioniert.

Saul Leiter - In my Room - Berlin - banausenKultur - Kultur Münster Münsterland Westfalen NRW - Andreas Völker

Eine sehr persönliche Führung voller Anekdoten.

Meine Begegnung mit der Ausstellung beginnt im Rahmen einer Sonderführung mit der Begrüßung von Matthias Harder, dem Kurator der Helmut-Newton-Stiftung. Leicht zerzaust sieht man ihm noch die kurze Nacht nach der gestrigen Eröffnungsfeier der Ausstellung an.

Er erläutert die drei Teilausstellungen, stellt Haus und Stiftung vor und schlägt Brücken von Helmut Newton und David Lynch zum Ausstellungsteil über Saul Leiter, dem diese Führung durch die Ausstellung gewidmet ist.

Dann gibt er das Wort an Margit Erb und Michael Parillo von der Saul Leiter Foundation weiter. Sie haben Saul Leiter als Freunde in den letzten Jahren seines Lebens begleitet und halten seit seinem Tod im Jahr 2013 sein Werk mit ihrer Arbeit für die Stiftung lebendig.

Der weitere Weg durch die Ausstellung gerät somit zu einer sehr persönlichen Betrachtung der Person Saul Leiter, denn die beiden berichten in zahlreichen Anekdoten, die immer wieder überraschen und mich schmunzeln lassen, von den Eigenarten und von der Herangehensweise des Fotografen.

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“I never smoked. And I never posed nude for Saul Leiter!

So gibt es die schöne Geschichte von einer Frau, die ihrem inzwischen erwachsenen Nachwuchs gegenüber aufs Heftigste dementiert, jemals geraucht oder gar nackt für Saul Leiter posiert zu haben! Und das, obwohl ganz eindeutig auf dem, in einem Schaufenster entdeckten Foto, die genüsslich rauchende Mutter in jungen Jahren zu erkennen ist.

Im Widerspruch zu den eingangs erwähnten Bemerkungen zur Schwarz-Weiß-Fotografie gibt es auch einige wenige Farbbilder zu sehen. Dass diese überhaupt existieren, führen Margit und Michael darauf zurück, dass Saul Leiter für diese Fotosession außerhalb seines Ateliers schlichtweg vergessen hat, Schwarz-Weiß-Filme einzupacken und somit mit dem vorhandenen Farbmaterial arbeiten musste.

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Brückenschlag durch Trennendes?

Die Ausstellung mit Saul Leiters sehr intimen und respektvollen Aktfotografien hat mich erreicht und berührt.

Nur der versuchte Brückenschlag zu Helmut Newton und David Lynch funktioniert für mich nicht, denn lediglich der starke Kontrast, das Trennende zwischen den gezeigten Teilausstellungen verbindet sie: Sowohl die lauten und plakativen Bilder von Helmut Newton als auch die sehr auf Körperlandschaften fokussierenden Bilder von David Lynch wirken auf mich funktional und fremd. Die subtilen, leisen Portraits von Saul Leiter setzen sich deutlich davon ab.

Margit und Michael, vielen Dank für die sehr persönliche und bereichernde Einführung in Sauls Arbeit!

Die Ausstellung ‘NUDES. Saul Leiter. David Lynch. Helmut Newton.’ läuft noch bis zum 19. Mai 2019.

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